Leben nach Krebserkrankungen – den Spätfolgen der Krebstherapie auf der Spur

Neues interdisziplinäres Verbundforschungsprojekt unter Federführung der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität (JGU) Mainz untersucht den Einfluss der Strahlentherapie auf langfristige Therapiefolgen. Auch das Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie - BIPS ist beteiligt.

Die Mitglieder des Forschungsverbundes ISIBELa beim Projektstart in Mainz - hintere Reihe v.l.n.r.: Peter Scholz-Kreisel, PD Dr. Peter Kaatsch, Univ.-Prof. Dr. Heinz Schmidberger, Alicia Poplawski, Univ.-Prof. Dr. Thomas Hankeln, Univ.-Prof. Dr. Harald Binder, Dr. Manuela Marron; vordere Reihe v.l.n.r.: Dr. Ratna Nuria Weimer, Franziska Himmelsbach, Univ.-Prof. Dr. Maria Blettner, Dr. Dorothee Deckbar, Dr. Sebastian Zahnreich, Dr. Danuta Galetzka; Foto: Juri Brauer

Warum erkranken manche Menschen nach einer erfolgreich therapierten Krebserkrankung im Kindesalter später als Jugendliche oder Erwachsene erneut an Krebs und andere hingegen nicht? Das ist die zentrale Frage eines Forschungsprojekts, das mit insgesamt rund 3,8 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) im Rahmen der „Grundlagenforschung Energie 2020+“ gefördert wird. Die Forschung auf diesem Gebiet soll dazu beitragen, künftig besonders strahlenempfindliche Patienten zu identifizieren und deren Therapien optimal anzupassen. Koordiniert wird dieses Verbundforschungsprojekt mit dem Namen ISIBELa (Intrinsische Strahlentherapie: Identifikation Biologischer und Epidemiologischer Langzeitfolgen) vom Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI) der Universitätsmedizin Mainz in enger Kooperation mit der dortigen Klinik und Poliklinik für Radioonkologie und Strahlentherapie. Teil des Forschungsverbundes „ISIBELa“ sind zudem das Deutsche Kinderkrebsregister, das Institut für Molekulargenetik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, die Fachgruppe Molekulare Epidemiologie des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS und die Arbeitsgruppe biologische Strahlenforschung der Technischen Universität Darmstadt.

Konkret befasst sich der Forschungsverbund ISIBELa mit dem Einfluss der Strahlentherapie auf das Risiko, nach einer erfolgreichen Krebstherapie im Kindesalter im späteren Leben einen Zweittumor zu entwickeln. Von einer zweiten Krebserkrankung betroffen sind rund fünf bis zehn Prozent aller ehemaligen Patienten. „Eine der Kernfragen von ISIBELa lautet: Reagieren Zellen verschiedener Menschen unterschiedlich auf ionisierende Strahlen, wie sie etwa bei einer Strahlentherapie eingesetzt werden?“ sagt die Direktorin des IMBEI und Leiterin des Forschungsverbundes, Univ.-Prof. Dr. Maria Blettner. Fragestellungen dieser Komplexität können heute nur durch Forschergruppen bearbeitet werden, in denen Grundlagenforscher und Kliniker unterschiedlicher Fachrichtungen translational zusammenarbeiten. Deshalb sind im Verbundprojekt ISIBELa die Forschungen von Medizinern, Biologen, Epidemiologen und Mathematikern eng verzahnt.

In der ersten Phase des mehrteiligen Projekts wollen die Wissenschaftler zunächst alle Zweittumore nach Krebs im Kindesalter in Deutschland erfassen und statistisch auswerten. Im weiteren Verlauf des Projekts wird untersucht, worin sich Patienten mit einem Zweittumor und Patienten ohne eine solche Spätfolge hinsichtlich verschiedener Faktoren unterscheiden, wie etwa Art der Ersterkrankung oder erhaltener Therapie. Patienten, die nach der Heilung ihrer Erkrankung einen Zweittumor erlitten haben, werden um die Spende einer Gewebeprobe gebeten. Ebenso werden Patienten untersucht, welche dieselbe Ersterkrankung hatten, im Laufe des weiteren Lebens aber gesund geblieben sind. Die Gewebeproben werden mit modernsten Labormethoden auf genetische und epigenetische Ursachen für eine Krebserkrankung untersucht. Beispielsweise sucht das Institut für Molekulargenetik der JGU mit den neuen Methoden der Hochdurchsatz-Entschlüsselung von Genomen und Transkriptomen nach Unterschieden in den Patientengruppen.

„Durch die Fortschritte in der Therapie konnten in den letzten Jahren bei vielen Krebserkrankungen die Aussicht auf Heilung, also darauf dass die ehemals erkrankten Patientinnen und Patienten dieselbe Lebenserwartung haben wie gleichaltrige gesunde Menschen, verbessert werden. Damit gewinnt die Lebensqualität nach der Behandlung an Bedeutung. Genau da setzt das neue Verbundforschungsprojekt ISIBELa an. Die gewonnenen Forschungserkenntnisse sollen uns in die Lage versetzen, Methoden zu entwickeln, mit denen sich in hohem Maße strahlenempfindliche Patienten bereits vor der Therapie identifizieren lassen, damit deren Therapie optimal angepasst werden kann“, erläutern Univ.-Prof. Dr. Heinz Schmidberger (Direktor der Klinik und Poliklinik für Radioonkologie und Strahlentherapie), Univ.-Prof. Dr. Thomas Hankeln (Institut für Molekulargenetik) und Dr. Manuela Marron (Epidemiologin und Studienleiterin am BIPS) stellvertretend für alle beteiligten Wissenschaftler unisono.

Nicht zuletzt dank der großartigen Fortschritte in Diagnostik und Therapie von Krebs im Kindesalter hat sich die Überlebenswahrscheinlichkeit beispielsweise von Leukämiepatienten von circa zwei Prozent in den 1960er Jahren auf über 80 Prozent heutzutage verbessert. Dabei zählt die Strahlentherapie seit den 1970er Jahren zu den wichtigsten Methoden zur Behandlung von Krebserkrankungen und gilt auch heute als einer der Eckpfeiler der Krebstherapie. Bei der Strahlentherapie werden mittels gezielt eingesetzter Ionisierender Strahlen die Tumorzellen abgetötet.

Das ISIBELa Verbundprojekt ist Teil des Universitären Centrum für Tumorerkrankungen (UCT) der Universitätsmedizin Mainz. Die Individualisierung der Tumortherapie ist eines der wissenschaftlichen Ziele des UCT. Die translationale Forschung zu Therapiespätfolgen ist auch für die internationale Anerkennung des UCT von Bedeutung. Die Vernetzung von ISIBELa und UCT wird hoffentlich schon bald zur Entwicklung schonenderer Therapien führen.

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