Unfallrisiko bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS

Traumatische Gehirnverletzungen treten seltener bei Einnahme von Medikamenten auf

Kinder und Jugendliche, die an der Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) leiden, haben ein geringeres Risiko für traumatische Gehirnverletzungen, wenn sie Methylphenidat oder Atomoxetin einnehmen. Dies zeigt eine Langzeitstudie zu ADHS bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland, die das Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie - BIPS durchgeführt hat. Die Ergebnisse des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts sind jetzt im amerikanischen Journal für Kinderheilkunde JAMA Pediatrics erschienen.

Es ist bekannt, dass Menschen mit ADHS häufiger unfallbedingte Verletzungen, wie zum Beispiel Knochenbrüche, Kopfverletzungen, Verbrennungen und Vergiftungen, erleiden. Bislang fehlten allerdings eindeutige Hinweise zu der Frage, ob die medikamentöse Therapie mit Methylphenidat oder Atomoxetin das erhöhte Verletzungsrisiko verringern kann. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie - BIPS und dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung  sind dieser Frage in ihrer Studie bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS nachgegangen.

Die Grundlage der Studie bildete die "Deutsche Pharmakoepidemiologische Forschungsdatenbank" (GePaRD), die Daten von etwa 17 Millionen Versicherten vier gesetzlicher Krankenkassen enthält. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler identifizierten 37.650 Kinder und Jugendliche zwischen drei und 17 Jahren, bei denen 2005 und 2006 ADHS neu diagnostiziert wurde, und verfolgten deren Daten bis 2009. Von dieser Gruppe wurden in der beobachteten Zeit 2.128 wegen einer Verletzung ins Krankenhaus eingeliefert, von denen 821 die Diagnose einer traumatischen Gehirnverletzung erhielten.

Für die 2.128 Kinder und Jugendlichen, die mit einer Verletzung im Krankenhaus behandelt wurden, erfassten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler alle Verordnungen der Substanzen Methylphenidat und Atomoxetin. Es zeigte sich, dass etwa über die Hälfte der Kinder und Jugendlichen auch eine Verschreibung von Methylphenidat oder Atomoxetin während der Beobachtungszeit bis 2009 erhielt; 92 Prozent der Verordnungen waren hierbei für Methylphenidat. Im Anschluss verglichen sie das Risiko, im Beobachtungszeitraum generell eine Verletzung oder eine traumatische Gehirnverletzung bei einer medikamentösen Behandlung zu erleiden, mit dem Risiko ohne Behandlung.

Es zeigte sich, dass während der Einnahme von Medikamenten die Wahrscheinlichkeit um 34 Prozent geringer war, wegen einer traumatischen Gehirnverletzung ins Krankenhaus eingewiesen zu werden. Wenn jedoch alle Verletzungen betrachtet wurden, die zu einer Einlieferung ins Krankenhaus führten, war das Risiko aus statistischer Sicht nicht eindeutig niedriger.

Prof. Dr. Edeltraut Garbe, Leiterin der Abteilung Klinische Epidemiologie am BIPS, erklärt: "Unsere Studienergebnisse zeigen, dass Kinder und Jugendliche mit ADHS ein niedrigeres Risiko für traumatische Gehirnverletzungen haben, wenn sie mit Methylphenidat oder Atomoxetin behandelt werden. Ob dieser Zusammenhang auch generell bei unfallbedingten Verletzungen besteht, muss weiter untersucht werden - unsere Studie deutet darauf hin, konnte dies aber nicht belegen."

Publikation:
Mikolajczyk R, Horn J, Schmedt N, Langner I, Lindemann C, Garbe E. Accident prevention by medication among children with attention deficit/hyperactivity disorder (ADHD) - A case-only study. JAMA Pediatrics. 2015; http://dx.doi.org/10.1001/jamapediatrics.2014.3275

Kontakt:
Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie - BIPS
Abteilung Klinische Epidemiologie
Prof. Dr. Edeltraut Garbe
Tel. 0421/218-56862
E-Mail garbe@bips.uni-bremen.de

Niklas Schmedt
Tel. 0421/218-56868
E-Mail schmedt@bips.uni-bremen.de

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