Hintergrund

In Deutschland erhalten jährlich über 480.000 Menschen eine Krebsdiagnose, und etwa 230.000 verlieren den Kampf gegen die Krankheit. Krebs ist die zweithäufigste Todesursache in Deutschland – bei den unter 65-Jährigen sogar die häufigste – und zählt zu den am meisten gefürchteten Erkrankungen. Aufgrund der alternden Bevölkerung ist mit einem weiteren Anstieg der Erkrankungs- und Sterbezahlen zu rechnen. Um dieser Herausforderung zu begegnen, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit im Januar 2019 die Nationale Dekade gegen Krebs ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, die Krebsforschung gezielt zu intensivieren, Kräfte zu bündeln und Forschungsergebnisse schnell in die Anwendung zu überführen. Ein besonderer Fokus liegt auf der Krebspräventionsforschung, die deutlich gestärkt werden soll. In diesen Kontext ist die Initiative „Modellregion Bremen“ eingebettet, mit dem Ziel zu erforschen, wie das Potenzial der Krebsprävention in der Bevölkerung ausgeschöpft werden kann.

Denn es ist allgemein anerkannt, dass etwa 40 Prozent der Krebserkrankungen durch modifizierbare Risikofaktoren wie Rauchen, Alkoholkonsum, ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel und Übergewicht vermeidbar wären. Diese Faktoren spielen auch bei vielen anderen chronischen Krankheiten eine Rolle. Daher könnten durch gezielte Präventionsmaßnahmen nicht nur zahlreiche Krebsfälle, sondern auch andere chronische Krankheiten verhindert werden. Bei einigen Krebsarten bieten Früherkennungsmaßnahmen zusätzliche Chancen, die Krankheit in einem Frühstadium mit guter Prognose zu entdecken (z. B. Brustkrebs) oder gänzlich zu verhindern (z. B. Darmkrebs). Mit der Impfung gegen humane Papillomviren (HPV) gibt es außerdem seit einigen Jahren eine gute Möglichkeit, Gebärmutterhalskrebs vorzubeugen.

Dennoch rauchen etwa 30 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland. Der pro-Kopf-Alkoholkonsum ist so hoch wie nur in wenig anderen europäischen Ländern, die HPV-Impfquote dagegen, mit nur etwa 50 Prozent im Ländervergleich, sehr niedrig. Im Einschulungsalter sind schon etwa 10 Prozent der Kinder übergewichtig und auch bei der Krebsfrüherkennung gibt es zum Teil noch erheblichen Verbesserungsbedarf. Die Beispiele zeigen, dass das Potenzial der Krebsprävention in Deutschland noch bei Weitem nicht ausgeschöpft ist.

Das alleinige Wissen um die Präventionsmöglichkeiten reicht somit nicht aus. Vielmehr ist es notwendig, Strategien zu entwickeln und zu erproben, mit denen Prävention erfolgreich in der Bevölkerung umgesetzt werden kann. Dafür bedarf es sogenannter Implementierungsforschung, die sich mit dem Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis beschäftigt, um die bestehende Lücke zu schließen.

Genau hier setzt das BIPS mit der Initiative „Modellregion Bremen“ im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs an. Es geht darum zu erforschen, wie es im regionalen Kontext gelingen kann, das Potenzial der Krebsprävention bestmöglich und dauerhaft auszuschöpfen.

Vieles ist dabei zu beachten. Ein enger Austausch mit der Politik und anderen Akteuren im Gesundheitssystem ist von großer Bedeutung. Auch das sogenannte Präventionsdilemma gilt es zu beachten: Gruppen, die Präventionsmaßnahmen am nötigsten hätten, sind oft am schwersten zu erreichen. Das gilt insbesondere für Personen mit Migrationshintergrund oder niedrigem Bildungsstand. Die Entwicklung von Maßnahmen muss daher u. a. deren Niedrigschwelligkeit, Zugänglichkeit und Verständlichkeit berücksichtigen (s. Herangehensweise).